Nach der Ankunft am Sinai und dem Bundesschluss wurde Mose von Jahwe auf den Berg gerufen, um die Gesetzestafeln und die Anweisungen für den Bau der Stiftshütte entgegenzunehmen (2Mose 24,12; 2Mose 25,8-9). Er war 40 Tage und Nächte auf dem Berg (2Mose 24,18). Weil das Volk nicht mehr mit seiner Rückkehr rechnete, forderten sie Aaron auf, ihnen sichtbare Götter zu machen. Dieser formte aus ihrem Goldschmuck ein Kalb, das vom Volk als Gott angebetet wurde und dem es Opfer brachte (2Mose 32,1-6). Mose erhielt nach seiner Rückkehr von Gott den Auftrag, mit dem Schwert Gericht zu üben (2Mose 32,27). Dafür machte Mose den Aufruf: „Her zu mir, wer für Jahwe ist“, woraufhin sich alle Söhne Levis zu ihm sammelten (2Mose 32,26).

Das Gericht wegen der Anbetung des goldenen Kalbs wurde mit ziemlicher Sicherheit nur durch erwachsene Männer durchgeführt. Bei 10.300 männlichen Leviten ab einem Monat ergeben sich aus dem in Anlage 14, Tab. 17a ermittelten Faktor (10.300 ÷ 1,7358 =) 5.934 Wehrfähige. Dies ist natürlich nur ein Näherungswert. Es werden etwa 3.000 Getötete angegeben (2Mose 32,28). Auf jeden getöteten Mann kamen somit etwa zwei Leviten, die das Gericht ausführten. 

Man könnte daher annehmen, dass die Leviten immer zu zweit unterwegs waren, was sowohl ihrer eigenen Sicherheit diente, als auch die Durchführung des Gerichts bei Gegenwehr erleichterte. Sie konnten dann auch das Prinzip befolgen, dass ein Todesurteil immer nur auf Aussage von zwei oder drei Zeugen vollzogen werden durfte (4Mose 35,30; 5Mose 17,6). Dieses ganz grundlegende Rechtsprinzip dürfte schon bei Einsetzung der Richter nach dem Rat Jitros (2Mose 18,24-26) – und damit vor Erreichen des Sinai – bekannt gewesen sein, denn diese Richter wurden nach 5Mose 1,16-18 detailliert über anzuwendende Rechtsprinzipien unterwiesen. Dann hätte es kein blindes Massaker gegeben, sondern es wären gezielt Männer getötet worden, die mindestens zwei Leviten als Götzendiener bekannt waren. Gegen ein blindes Massaker spricht auch die Anordnung Moses in einer ganz ähnlichen Situation, als Teile des Volkes in den Steppen Moabs kurz vor Überquerung des Jordan dem Götzenkult des Baal Peor verfielen. Hier beauftragte Mose die Richter des Volkes, die von ihren Leuten zu töten, die sich an den Baal Peor gehängt hatten (4Mose 25,4). Auch hier konnte das Vier-Augen-Prinzip gewahrt werden, da es Richter über 10, 50, 100 und 1.000 gab und bei einem Todesurteil vermutlich nicht die unterste Instanz allein entschieden hat bzw. mehrere Zeugen gehört werden konnten.

Bei der Auftragserteilung nennt Mose die Umzubringenden Bruder, Freund und Verwandter jeweils in der männlichen Form. Nach der Durchführung benennt er Söhne und Brüder, die umgebracht wurden (2Mose 32,27-29). Dies bedeutet aber nicht, dass sich die versammelten Leviten gegenseitig umbrachten. Durch Ehen mit Angehörigen anderer Stämme – die Frau des Leviten Aaron stammte z.B. aus dem Stamm Juda (2Mose 6,23) – bestanden auch über Stammesgrenzen hinweg Verwandtschaftsverhältnisse und das Wort „Sohn“ beinhaltete auch die Bedeutung „Enkel“ ebenso wie „Bruder“ auch die Bedeutungen „Cousin“ bzw. „Neffe“1 hatte. Im weitesten Sinne konnten diese Begriffe auch einfach als (jüngere) Volksangehörige verstanden werden. Aus den o.g. fünf Wörtern in der männlichen Form neben der Angabe 3.000 Mann kann man schließen, dass keine Frauen und Kinder umgebracht wurden. Ihre Beteiligung wurde wohl den als Familienoberhäuptern für das Verhalten der ganzen Familie verantwortlichen Männern zugerechnet. Abgesehen davon waren die Frauen durch den Verlust ihres Ernährers und Beschützers schon genug bestraft.

Dieses Szenario für das Gericht durch die Leviten würde eine Größenordnung von etwa 10.300 männlichen Leviten bestätigen, wenn man annimmt, dass jede Zweiergruppe der Leviten gezielt einen wehrfähigen männlichen Götzendiener tötete. Aber unabhängig davon, ob dieses Szenario dem damaligen tatsächlichen Geschehen entspricht, kann man auf jeden Fall davon ausgehen, dass die Leviten auch bei diesem Gericht keine Verluste hatten. Die zweite These ist damit ebenfalls bestätigt.

  • 1 Abrahams Neffe Lot (1Mose 12,5) wird z.B. in 1Mose 14,14+16 mit dem hebräischen Wort für „Bruder“ bezeichnet.