Zunächst möchte ich noch detaillierter auf die Numerus-Formen Singular (= Einzahl), Dual (= Zweizahl) und Plural (= Mehrzahl) des Wortes ÄLäPh in den uns heute vorliegenden hebräischen Texten des Alten Testaments eingehen. Dort wird für das Zahlwort „Tausend“ die Singularform אֶלֶף (ÄLäPh) i.d.R. ohne zusätzliches Zahlwort „eins“ verwendet, für 2.000 die Dual-Form אַלְפַּיִם (ALPaJiM) ebenfalls ohne zusätzliches Zahlwort „zwei“ und für 3.000 bis 10.000 die Zahlwörter für drei bis zehn in Verbindung mit der Pluralform אֲלָפִים (ALaPhIM, teilweise auch in der Constructus-Form אַלְפֵי = ALPheJ). Ab 11.000 und höher wird wieder die Singularform ÄLäPh in Verbindung mit den Zahlwörtern für die Anzahl der Tausender verwendet.

Bei Zahlen ab 11.000 ist die für den Zahlenbestandteil „Tausend“ verwendete Form ÄLäPh somit nicht konsonantengleich mit „11 Sippenoberhäuptern“, weil dort dafür die normale Pluralform אַלֻּפִים (ALuPhIM) verwendet wird. Die Verwendung der Singularform ÄLäPh bei Zahlen ab 11.000 ist allerdings unlogisch. Naheliegender wäre es, auch für die höheren Tausenderzahlen die Pluralform אֲלָפִים (ALaPhIM) zu verwenden. Dann wäre auch bei den Zahlen ab 11.000 die Pluralformen von „Tausend“ und von „Sippenoberhaupt“ konsonantengleich. Nach Durchführung der m.E. erforderlichen Neubewertungen der Zahlen ab konventionell 11.000 bleiben in den Büchern 1. Mose bis Richter nur noch wenige Zahlen ab 11.000 und größer übrig. In 2. Mose waren es nur zwei, in 4. Mose neun oder vielleicht zehn, in Josua zwei und in Richter vier Vorkommen. Insgesamt kamen Zahlen ab 11.000 in den Berichten über die Frühzeit Israels bis in die Richterzeit also maximal 18-mal vor. In der Alltagssprache des Volkes spielten Zahlen dieser Größenordnung damals ziemlich sicher überhaupt keine Rolle. Die grammatikalische Regel, dass bei den Zahlen ab 11.000 die Singularform von ÄLäPh verwendet wird, dürfte deshalb damals vielen Menschen nicht vertraut gewesen sein.

Wenn man – wie in den Abschnitten ‎1.5 und ‎1.6ff begründet – annimmt, dass die alttestamentlichen Geschichtsberichte jeweils von zeitgenössischen – also unterschiedlichen – Verfassern stammten, kann davon ausgegangen werden, dass die Pluralform des Zahlwortes ÄLäPh in diesen frühen Texten noch nicht so einheitlich verwendet wurde wie in den heute vorliegenden. Es ist denkbar, dass dort der Plural in einzelnen Fällen auch bei Zahlen ab 11.000 mit der Pluralform אֲלָפִים (ALaPhIM) gebildet wurde. Die heute vorliegende Standardisierung bei der Pluralbildung von ÄLäPh nach einer unlogischen Regel müsste dann einer Textrevision gegen Ende der im AT beschriebenen Zeiträume – also etwa in der Zeit Esras – zugeschrieben werden. Ein ausführliches Szenario zur Entstehung der Texte und der abschließenden Textrevision habe ich in Kapitel ‎14 dargestellt. Ein möglicher Ablauf der Textrevision wird schon in Abschnitt 7.3.5ff skizziert. Eines der Ziele dieser Textrevision wäre dann die Standardisierung solcher vorher nicht einheitlich verwendeter Formen gewesen. Dabei kam es dann zu dem in meiner Grundannahme 3) postulierten Revisionsfehler, durch den die kombinierte Angabe von ÄLäPh mit der Bedeutung „militärische Einheit“ und ÄLäPh für Mann-Zahlen im Tausenderbereich zu einer großen Zahl zusammengezogen wurden. Daneben könnten aber auch Pluralformen von ALuPh, die bei der Textrevision fälschlicherweise als Zahlwort ÄLäPh interpretiert wurden, an die zu dieser Zeit – und bis heute im biblischen Hebräisch – gültigen Standards des Zahlworts ÄLäPh angepasst worden sein. So könnte z.B. die Angabe „11  אלפים (ALPJM)“ statt als „11 Sippenoberhäupter“ als „11 Tausend“ mit nicht standardgemäßer Pluralbildung interpretiert und auf 11 אֶלֶף (ÄLäPh) „korrigiert“ worden sein. Ein Beispiel für eine solche „Korrektur“ sind m.E. die konventionell 50.000 Gestorbenen in Bet-Schemesch bei der Rückkehr der Bundeslade (siehe ‎7.3.2.3).

Auch die Mehrzahlbildung für die Anzahl „zwei“ ist bei ALuPh und ÄLäPh unterschiedlich. ÄLäPh (= Zahlwort Tausend) bildet die Anzahl Zweitausend mit einer Dual-Form ohne zusätzliches Zahlwort „zwei“. Eine Dual-Form haben neben weiteren Zahlwörtern (z.B. zwei, zwölf und 200) in der hebräischen Sprache i.d.R. nur paarweise vorkommende Körperteile oder Gegenstände (z.B. Augen, Schuhe), einige Maßeinheiten (z.B. die Elle) und zwei aufeinanderfolgende Zeiträume, die als zusammenhängend gesehen werden (z.B. zwei Tage).1 Bei dem Wort ALuPh (= Sippenoberhaupt) ist dagegen keine Dual-Form belegt. Dort würde man bei der kurzen Schreibweise für „zwei Sippenoberhäupter“ die Mehrzahlform אַלֻּפִים (ALuPhIM) mit dem Zahlwort „zwei“ verwenden. Die Dual-Form אַלְפַּיִם (ALPaJiM) von ÄLäPh ist zwar mit dem Plural אַלֻּפִים (ALuPhIM = Sippenoberhäupter) konsonantengleich, aber durch das zusätzliche Zahlwort „zwei“ bei dem Begriff ALuPh (= Sippenoberhaupt) bestand doch ein Unterschied im Konsonantentext.

Allerdings könnte man auch hier annehmen, dass die Verwendung des Duals bei ÄLäPh für die Zahl „Zweitausend“ von unterschiedlichen Autoren in den ursprünglichen frühen Texten noch nicht so konsequent erfolgte wie in den heute vorliegenden Texten. Für die Maßeinheit „Elle“ ist jedenfalls eine unterschiedliche Bildung der Menge „zwei Ellen“ im AT belegt. So kommt einerseits die normale Pluralform שְׁתַּיִם־אַמּוֹת (SchöTaJiM-AMOT = zwei Ellen; Hes 41,22; Hes 43,14) vor und andererseits die Dual-Form אַמָּתַיִם (AMaTaJiM = Doppelelle; 2Mose 25,10+17). Es ist somit denkbar, dass auch bei ÄLäPh unterschiedliche Verfasser der AT-Texte die Mehrzahlbildung für die Anzahl „zwei“ unterschiedlich handhabten. Ein Revisor in der Zeit Esras könnte dann auch die Angabe „2  אלפים (ALPJM)“ statt als „2 Sippenoberhäupter“ als „2 Tausend“ mit nicht standardgemäßer Pluralbildung interpretiert und auf אַלְפַּיִם (ALPaJiM) „korrigiert“ haben. Dafür musste er in dem ihm vorliegenden Konsonantentext lediglich die Zahl „zwei“ streichen. Eine solche „Korrektur“ nehme ich bei einigen Zahlenangaben bei den Leviten an (siehe ‎7.3.4ff).

Neben den bei der angenommenen Textrevision im 5. Jh. v. Chr. vorgenommenen Standardisierungen und Änderungen im Konsonantentext gab es aufgrund eines Abbruchs der Aussprachetraditionen auch Fehlinterpretationen, bei denen keine Änderungen im Konsonantentext erforderlich waren. Hier entstand wahrscheinlich in den meisten Fällen schon im Zusammenhang mit der Textrevision eine neue falsche Aussprachetradition. Diese führte dann im 6. bis 8. Jh. n. Chr. zu einer falschen Punktierung durch die Masoreten. In diesen Fällen liegt uns der Urtext noch heute vor. Es sind lediglich die später hinzugefügten Punktierungen zu korrigieren. Solche Fehler bei der Punktierung nehme ich in Mi 5,1 (siehe nächster Abschnitt) und in 1Mose 36,30 (siehe 7.3.2.4) an.

  • 1 Wilhelm Gesenius und E. Kauttzsch: Wilhelm Gesenius‘ Hebräische Grammatik, Verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig: F.C.W. Vogel, 1909, S. 256