Ab etwa dem 19. Jahrhundert begannen Archäologen die in der Bibel genannten Gebiete in Ägypten, in der Levante (heutiges Israel, Libanon, Syrien und Jordanien) sowie in Mesopotamien (heutiger Irak) intensiver zu erforschen. Dadurch und durch die Entschlüsselung der babylonischen Keilschrift und der ägyptischen Hieroglyphen verfügen wir heute über recht gute Kenntnisse bezüglich der Lebensweise der Menschen und der Größe von Siedlungen in alttestamentlicher Zeit in diesen Regionen. Berücksichtigt man zusätzlich die topografischen Gegebenheiten der in der Bibel genannten Orte bzw. Gebiete, deren Lage inzwischen lokalisiert werden konnte, so wird deutlich, dass die in den biblischen Texten angegebenen Zahlen zu Heeresgrößen vom Exodus bis in die Königszeit weit überhöht sein müssen. Dazu einige Beispiele:

  • Rund 600.000 über 20-jährige Wehrfähige der zwölf Stämme bei den Musterungen am Sinai und 39 Jahre später kurz vor der Überschreitung des Jordans (4Mose 1,46; 4Mose 26,51). Dies entspricht einer Volksgröße von 2 bis 2,5 Millionen. Menschen. Selbst wenn man von der kleineren Zahl ausgeht und jedem Menschen (inklusive Verkehrsflächen, Kochstellen und Gepäcklagerplatz) im Durchschnitt nur 2 m² Lagerplatz zubilligt, ergibt sich daraus für das Reiselager auf dem Weg zum Sinai eine Fläche von 4 Mio. m². Dies entspricht einer quadratischen Fläche von 2.000 x 2.000 m oder einer rechteckigen Fläche von beispielsweise 20 km x 200 m. Bei dieser Fläche sind die notwendigen Weideflächen für die Lasttiere und Viehherden noch nicht berücksichtigt. Im Land Goschen im östlichen Nildelta hätte eine solche Menge von Menschen mit ihren Herden unmöglich auch nur wenige Jahre siedeln können.
  • Zählung aller Wehrfähigen in ganz Israel im Auftrag Davids: 1.300.000 Wehrfähige laut 2Sam 24,9 bzw. sogar 1.570.000 Wehrfähige nach dem Parallelbericht in 1Chr 21,5.
  • Bei einer von Josafat in Jerusalem durchgeführten Musterung wurden 1.160.000 Soldaten allein aus Benjamin und Juda gezählt. Dabei waren die Besatzungen der Grenzfestungen noch nicht berücksichtigt (2Chr 17,13-19). Es ist kaum vorstellbar, dass das kleine Südreich eine solch große Anzahl von Männern aufstellen konnte und diese in der Umgebung der damals recht kleinen Davidsstadt und des Tempelbergs auch nur für kurze Zeit lagern und versorgt werden konnten.

Aber nicht nur bei Heeresgrößen kommen unrealistisch große Zahlen vor:

  • Das von David für den Tempelbau angesammelte Material beinhaltete 100.000 Talente Gold und 1.000.000 Talente Silber. Daneben werden noch Bronze und Eisen erwähnt, die wegen ihrer noch größeren Menge nicht gewogen werden konnten (1Chr 22,14). Ein Talent entspricht nach traditioneller Bewertung etwa 33 kg. Daraus ergeben sich 3.300 Tonnen Gold und 33.000 Tonnen Silber. Das sind für den doch relativ kleinen Tempel Jahwes, der ja aus Steinen und Zedernholz gebaut und lediglich vergoldet wurde, unvorstellbar große Mengen.
  • Bei der Einweihung des Tempels Salomos wurden 22.000 Rinder und 120.000 Schafe bzw. Ziegen geopfert (1Kön 8,63; 2Chr 7,4-5). Die Opfer verteilten sich auf die insgesamt 14-tägige Dauer des Laubhütten- und Tempel-Einweihungsfestes (1Kön 8,65), sodass an jedem Tag durchschnittlich 1.571 Rinder und 8.571 Schafe oder Ziegen geopfert werden mussten. Verteilt man diese Anzahl gleichmäßig auf die im Herbst etwa 12 Stunden mit Tageslicht, so hätten pro Minute (10.142 ÷ 12 ÷ 60 =) 14 Tiere nach dem vorgeschriebenen Ritus geschächtet, zerteilt und die für Gott bestimmten Teile auf Altären verbrannt werden müssen. Das ist in der Realität kaum vorstellbar.

Diese weit überhöhten Zahlen trugen mit dazu bei, dass die Berichte über den Exodus, die Landnahme und die Richterzeit sowie die Erzählungen über David und Salomo, in wissenschaftlich orientierten Kreisen weitgehend nur noch als Mythen angesehen werden. Sofern man ihnen überhaupt noch einen wahren Kern zubilligt, betrachtet man sie als durch jahrhundertelange mündliche Überlieferung stark aufgebauschte und verfälschte Erzählungen. Nach mehrheitlicher Meinung wurden sie erst in der späten Königszeit bzw. teilweise erst nach dem Exil in ihrer heutigen Form niedergeschrieben. Selbst in theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten in Deutschland wird das Alte Testament als historische Quelle kaum noch ernst genommen. Nur wenn außerbiblische Quellen die biblischen Berichte bestätigen, beispielsweise assyrische Stein-Inschriften über den Feldzug Sanheribs gegen Juda in der Zeit Hiskias, gesteht man den historischen Berichten des Alten Testaments noch einen gewissen Wahrheitsgehalt zu. Allerdings bestehen selbst bei diesem Beispiel große Zweifel an der Historizität der nur im Alten Testament überlieferten Detailangaben. Ein Grund dafür ist, dass die dort genannte Zahl von 185.000 vor Jerusalem durch ein Gericht Gottes getöteten assyrischen Soldaten Sanheribs (2Kön 19,35; Jes 37,36) im Vergleich mit den in außerbiblischen Quellen genannten Heeresgrößen dieser Zeit extrem hoch erscheint.

Aufgrund der aufkommenden Zweifel an den großen Zahlen haben verstärkt ab Beginn des 20. Jahrhunderts verschiedene bibelgläubige Forscher nach den Ursachen für deren Entstehung sowie nach Möglichkeiten für eine bibelkonforme Neubewertung gesucht. Ein Lösungsansatz1 dafür beruht auf der Annahme, dass das hebräische Wort für die Zahl „1.000“ (= אֶלֶף ÄLäPh) in der Zeit Moses noch die zweite Bedeutung „(Zelt-)Gruppe“ oder „(militärische) Einheit“ hatte. Durch die spätere ausschließliche Interpretation dieses Begriffs als „Zahlwort Tausend“ seien die großen Zahlen entstanden. Diese Idee wurde bereits im Jahr 1906 von Sir W.M. Flinders Petrie2, dem Pionier der modernen levantinischen Archäologie, ins Spiel gebracht. Bei seinen archäologischen Forschungen vor Ort in Ägypten und auf der Sinai-Halbinsel stellte er fest, dass dort unmöglich ein Zwei-Millionen-Volk gelebt haben konnte. Aufgrund dieser Feststellung untersuchten er und in der Folge weitere Forscher vor allem die Ergebnislisten der beiden Musterungen der Wehrfähigen in 4. Mose 1 und 4. Mose 26 und entwickelten verschiedene Deutungsmodelle.

  • 1 Für andere Lösungsansätze siehe Uwe Zerbst: Die Größe der israelitischen Bevölkerung während der Wüstenwanderung und Landnahme. In: Keine Posaunen vor Jericho? Beiträge zur Archäologie der Landnahme. Hg. von Ders. und Peter van der Veen. 3., überarb. und erw. Auflage. Holzgerlingen: SCM Hänssler 2018 (Studium Integrale Archäologie), S. 101-145, hier S. 111-115, Abschn. 3.1 bis 3.4

    2 Vgl. W.M. Flinders Petrie: Researches in Sinai. London: John Murray 1906, S. 207ff