Neben den Fristen von 400 und 430 Jahren wird in der Bibel auch noch eine Frist von 450 Jahren genannt. Paulus erwähnt diese in seiner Rede in Antiochia in Pisidien auf seiner ersten Missionsreise in Apg 13,19-21:

19 Und nachdem er sieben Nationen im Land Kanaan vertilgt hatte, ließ er sie deren Land erben 20 ⟨für⟩ etwa vierhundertfünfzig Jahre. Und danach gab er ihnen6 Richter bis zu Samuel, dem Propheten.
     6 andere Handschr.: Und danach, ⟨für⟩ etwa 450 Jahre, gab er ihnen
21 Und von da an begehrten sie einen König, und Gott gab ihnen Saul, den Sohn des Kisch, einen Mann aus dem Stamm Benjamin, vierzig Jahre lang.

Aus diesem Zitat ergibt sich, dass die genannte 450-Jahres-Frist mit der Zuteilung des Landes Kanaan durch Josua an die Israeliten endete und danach die Zeit der Richter folgt, die mit der Einsetzung Sauls als König durch Samuel endet. Die Enterbung der Kanaaniter war schon im Jahr des Einzugs Abrahams in Kanaan von Jahwe beschlossen, denn in 1Mose 12,7 erhält Abra(ha)m die Verheißung, dass Jahwe dieses Land seinem Samen (frei: seiner Nachkommenschaft) geben würde. Die 450 Jahre lange Frist der Enterbung beginnt 25 Jahre nach der Verheißung mit der Geburt des verheißenen Samens Isaak, der als neuer Erbe eingesetzt wird. Die ersten 405 Jahre der 450-Jahres-Frist liegen also innerhalb der in 2Mose 12,40 genannten 430 Jahre. Sie enthält zusätzlich noch die 40 Jahre der Wüstenwanderung und die ersten Jahre der Eroberungskriege, bis im Laufe des 6. Jahres ab Überschreitung des Jordans das Land an die 9 ½ Stämme verteilt wurde, die westlich des Jordans siedelten (Jos 14,1-5). Die sechs Jahre ergeben sich aus dem Alter Kalebs, der bei der Aussendung der Kundschafter ein Jahr nach dem Exodus und vor den verbleibenden 39 Jahren Wüstenwanderung 40 Jahre alt und bei der Landverteilung 85 Jahre alt war (85 – 40 – 39 = 6 Jahre, siehe Jos 14,5-10). Es ergeben sich so 451 Jahre. Die Differenz von einem Jahr ließe sich damit erklären, dass Kaleb nicht genau 40 Jahre alt war, sondern einige Monate älter und deshalb keine vollen 6 Jahre sondern nur 5 Jahre + x Monate bis zur Landverteilung vorlagen. Die Frist hätte dann 450 Jahre und x Monate gedauert, was wegen des „etwa“ in Apg 13,20 vertretbar ist. Die im vorausgehenden Abschnitt behandelte 400-Jahres-Frist beginnt 5 Jahre nach der Etwa-450-Jahres-Frist und liegt damit vollständig innerhalb der 450 Jahre.

Die Vers-Einteilung in der zitierten Bibelstelle in der Apostelgeschichte ist unglücklich gewählt, da die 450 Jahre in Vers 20 zu dem Satz in Vers 19 gehören. Die an den eckigen Klammern erkennbare Einfügung „⟨für⟩“ in der Elberfelder ist abzulehnen, da das Land nicht nur für 450 Jahre zugeteilt wurde, sondern dauerhaft solange der Bund mit Jahwe eingehalten wurde. Die tatsächliche Wegführung der Nordstämme erfolgte wegen ihrer Abwendung von Jahwe erst 722 v. Chr. und damit nahezu 700 Jahre nach der Landverteilung, die der beiden Südstämme sogar erst 587/586 v. Chr. Auch die in einigen späteren griechischen Handschriften erfolgte Umstellung der Wortreihenfolge (siehe Fußnote im angeführten Zitat aus der Elberfelder) ist abzulehnen, da diese zu einer 450-jährigen Richterzeit führen würde. Dass die Richterzeit aber tatsächlich viel kürzer war, ergibt sich aus der in 1Kön 6,1 genannten Zeitbrücke von 480 Jahren, die vom Exodus bis zur Gründung des Tempels unter Salomo läuft. Sie beinhaltet neben der Richterzeit die 40-jährige Wüstenwanderung und die Regierungszeiten von Saul (40 J.) und David (40 ½ J.) sowie die ersten 4 Jahre Salomos. Von der Landverteilung ca. 5,5 Jahre nach Überschreitung des Jordans bis zur Einsetzung von Saul als König bleiben also inklusive der Regierungszeit Josuas nur (480 – 40 – 5,5 – 40 – 40,5 – 4 =) 350 Jahre Richterzeit. Dass die 480-Jahres-Frist tatsächlich genau 480 Jahre lang war und nicht – wie von verschiedenen Auslegern vertreten – deutlich länger oder deutlich kürzer, begründe ich detailliert in den Abschnitten ‎9.1 bis ‎9.1.7. Dabei zeige ich auch, dass alle biblisch genannten Regierungszeiten von Richtern und Königen sowie die Unterdrückungszeiten schlüssig in den genannten 480 Jahren untergebracht werden können.

Mit dem oben vorgestellten Vorschlag für die Einordnung der 450-Jahres-Frist aus Apg 13,20 unmittelbar vor der Landverteilung im sechsten Jahr nach der Überschreitung des Jordans liegt eine plausible Deutung für den exakten Wortlaut von Apg 13,19-21 in den älteren griechischen Handschriften vor. Somit erübrigen sich Wortumstellungen oder Einfügungen in den Text, die zu einer in sich widersprüchlichen Deutung führen würden, wie sie in manchen späteren Handschriften und deutschen Übersetzungen vorliegen.