In 4Mose 31,36-40 wird jeweils die auf die Kriegsteilnehmer entfallende Hälfte der gezählten Gesamtsummen der drei Tiergattungen und der Jungfrauen angeführt. Bei jeder Mengenangabe für die Hälfte der Beute wird auch die daraus abzuführende Abgabe für Jahwe genannt.

36 Die Hälfte, der Anteil derer, die zum Heer⟨esdienst⟩ ausgezogen waren, die Zahl der Schafe war also: 337 500 Stück

37 und die Abgabe von den Schafen für den HERRN war 675 ⟨Stück⟩,

38 und ⟨die Zahl⟩ der Rinder 36 000 und die Abgabe davon für den HERRN 72,

39 und ⟨die Zahl⟩ der Esel 30 500 und die Abgabe davon für den HERRN 61,

40 und die ⟨Zahl der⟩ Menschen ⟨war⟩ 16 000 und die Abgabe davon für den HERRN 32 Seelen.

Bei den Schafen (wörtlich: Kleinvieh = Schafe und Ziegen) wird konventionell als Hälfte von 675.000 Stück die Zahl 337.500 und daraus eine Abgabe für Jahwe von 675 Tieren angegeben. Die 675 Schafe entsprechen 0,2 % der halben Beute von 337.500 Tieren und damit dem im heute vorliegenden Bibeltext angegebenen Anteil von „einer Seele von 500“. Die konventionellen Zahlenangaben sind also in sich stimmig. Bei Übersetzung der ÄLäPh als 50er-Gruppen reduziert sich die mit 675 ÄLäPh angegebene gesamte Beute auf (675 x 50 =) 33.750 Schafe und die mit „337 ÄLäPh und 500“ angegebene halbe Beute auf ([337 x 50 = 16.850] + 500 =) 17.350 Stück. Die Abgabe bleibt unverändert bei 675 Tieren. Erwarten würde man aber eine Anzahl von (33.750 ÷ 2 =) 16.875 für die Hälfte der Schafe und eine Abgabe für Jahwe von (16.875 x 0,2 % =) 33,75 Tieren. Bei der alternativen Lesart ergeben sich also Widersprüche zwischen den im Text angegebenen Zahlen.

Etwas besser sieht es bei den Rindern aus. Bei diesen sind von 72 ÄLäPh im Text als Hälfte 36 ÄLäPh angegeben und daraus eine Abgabe von 72 Rindern (4Mose 31,38). Bei Übersetzung der ÄLäPh als 50er-Gruppen werden daraus (72 x 50 =) 3.600 Rinder insgesamt und als Hälfte 1.800. Die Angabe im Text für die Hälfte passt also auch in der alternativen Lesart zur Gesamtzahl. Um von 1.800 Rindern auf eine Abgabe von 72 Rindern zu kommen, müsste man einen Anteil von 4 %, also eins von je 25 Rindern oder zwei je 50er-Gruppe, annehmen. Dazu zitiere ich die Anordnung Jahwes für die Ermittlung der Abgabe in 4Mose 31,28-29:

28 Und erhebe von den Kriegsleuten, die ins Feld gezogen sind, eine Abgabe für den HERRN: je eine Seele von fünfhundert, von den Menschen und von den Rindern und von den Eseln und von den Schafen. 29 Von ihrer Hälfte sollt ihr sie nehmen, und du sollst sie dem Priester Eleasar geben als eine Opfergabe für den HERRN.

Der fettgedruckte Text lautet auf Hebräisch wie folgt: אֶחָד נֶפֶשׁ מֵחֲמֵשׁ הַמֵּאוֹת (ÄChaD NäPhäSch MeChaMeSch HaMe°OT). Er wird gemeinhin mit „eine Seele von 500“ übersetzt, was einem Prozentsatz von 0,2 % entspricht. Es fällt allerdings auf, dass das Zahlwort מֵּאוֹת (Me°OT, Plural von Hundert)1 in der zusammengesetzten Zahl חֲמֵשׁ הַמֵּאוֹת (ChaMeSch HaMe°OT, „fünf hundert“) mit der Vorsilbe הַ (Ha) versehen ist. Diese Vorsilbe kommt bei dem hebräischen Zahlwort „Hundert“ – bei etwa 624 Vorkommen von „Hundert“ im gesamten AT – außer an dieser Stelle nur in 22 Fällen vor:

  • 20-mal im Plural in Verbindung mit dem Titel „Oberst“ (שָׂרֵי הַמֵּאוֹת SsaReJ HaMe°OT, „Oberste der Hundertschaften“)2
  • einmal in Hes 45,15 in der Dual-Form verbunden mit „von“ (מִן־הַמָּאתַיִם MiN-HaMa°TaJiM, „von den 200“)
  • einmal in Hes 42,2 im Singular nach dem Plural der Maßeinheit „Elle“ (אַמּוֹת הַמֵּאָה AMOT HaMeAH, „Ellenzahl der [Größe] Hundert“)

Die Vorsilbe הַ (Ha) hat zwei Bedeutungen. Sie wird zum einen als bestimmter Artikel (der, die, das) verwendet,3 zum anderen als Fragepartikel, um einen Aussagesatz in eine Frage zu verwandeln, sozusagen als Fragezeichen.4 Bei der Aussage „Oberste der Hundertschaften“ ergibt die Bedeutung „bestimmter Artikel“ für die Vorsilbe הַ (Ha) Sinn. Das gleiche gilt für die Dualform in Hes 45,15 „von den 200“. Bei der Längenangabe in Hes 42,2 wurde von der üblichen Reihenfolge „100 Ellen“ abgewichen und die Maßeinheit im Plural vorangestellt, was ich oben durch die Übersetzung „Ellenzahl der [Größe] 100“ zum Ausdruck gebracht habe. Auch hier ist die Bedeutung „bestimmter Artikel“ annehmbar.

Eine Verwendung der Vorsilbe הַ (Ha) als bestimmter Artikel im oben zitierten Vers ergibt aber keinen Sinn. Wörtlich müsste man dann nämlich „eine Seele von fünf das 100“ übersetzen. Soweit ich es überblicke, kommt diese Vorsilbe bei der Zahl „hundert“ sonst kein einziges Mal innerhalb einer zusammengesetzten Zahl vor. Deshalb kann man an dieser Stelle einen besonderen Ausnahmefall annehmen, nämlich eine Verwendung als Fragepartikel. Damit wird die Zahl 100 an dieser Stelle als fraglich gekennzeichnet. Ich nehme an, dass hier ursprünglich eine andere Zahl stand. Nach der durch einen späteren Revisor erfolgten Interpretation aller in diesem Bericht vorkommenden ÄLäPh als Zahlwort 1.000 führte die ursprüngliche Zahl aber zu einem offensichtlichen Widerspruch zu den angegebenen Zahlen bei der Abgabe für Jahwe. Die Zahlen der Abgabe für Jahwe sind mit 675, 72, 61 und 32 alle nicht durch 50 teilbar und auch relativ klein. Sie wurden daher in normalen Zahlen und nicht in 50er-Einheiten (= ÄLäPh) angegeben. Damit waren sie eindeutig und boten keinen Spielraum für eine alternative Interpretation. Diese Diskrepanz zwischen den durch den Revisor falsch interpretierten Beutezahlen und der Abgabe für Jahwe – die Abgabe für die Leviten wurde im Text nicht in absoluten Zahlen angegeben –  wäre bei allen von mir untersuchten Zahlen der einzige durch diese Revision entstandene offensichtliche Widerspruch. Da ihm die Bedeutung „(Zähl-)Einheit“ von ÄLäPh nicht mehr bekannt war, sah der Revisor keine Möglichkeit diesen Widerspruch aufzulösen. Er änderte die Zahl daher ab, kennzeichnete seine Änderung aber mit einem „Fragezeichen“ als unsicher. Im ursprünglichen Konsonantentext hatte das „ה (He°)“ noch keine Punktierung. Aufgrund der weiteren Vorkommen des Wortes „Hundert“ mit gleicher Vorsilbe mit der Bedeutung „bestimmter Artikel“, wurde diese Kennzeichnung aber später nicht mehr als „Fragezeichen“ erkannt.

Interessant ist, dass der jüdische Historiker Josephus, der im 1. Jh. n. Chr. lebte, die sich aus der m.E. fraglichen Teilzahl 100 und der damit verbundenen Zahl fünf ergebende Zahl „500“ in 4Mose 31,28 ebenfalls nicht akzeptiert hat:

Moyses verteilte nun die Beute und gab den fünfzigsten Teil davon dem Eleazar und den Priestern, ein zweites Fünfzigstel den Leviten, und den Rest verteilte er unter das Volk.5

Statt des sehr geringen Anteils für Jahwe von „eins aus 500“, also „den fünfhundertsten Teil“ (= 0,2 %) gibt er auch bei der Abgabe für Jahwe den „fünfzigsten Teil“ (= 2 %) an – so wie bei der Abgabe für die Leviten von Jahwe angeordnet. Mit dieser Änderung können die oben aufgezeigten Deutungsprobleme allerdings nicht gelöst werden. Für eine widerspruchsfreie Lösung bei einer Reduzierung der Beutezahlen, müssen sowohl die Differenzen bei der angegebenen Hälfte der Beute als auch bei dem Prozentanteil für die Abgabe an Jahwe erklärt werden. Einen Lösungsvorschlag für diese beiden Fragen stelle ich im nächsten Abschnitt vor.

  • 1 Vgl. Gesenius: Hebräisches Handwörterbuch, S. 619f, מֵּאָה

    2 Die 20 Vorkommen von „Oberste der Hundertschaften“: 4Mose 31,14+48+52+54; 2Kön 11,4+9+10+15+19; 1Chr 13,1; 1Chr 26,26; 1Chr 27,1; 1Chr 28,1; 1Chr 29,6; 2Chr 1,2; 2Chr 23,1+9+14+20; 2Chr 25,5

    3 Vgl. Gesenius: Hebräisches Handwörterbuch, S. 264f, הַ־ I.

    4 Vgl. ebd., S. 265, „הֲ  הַ und הֶ“ (punktiert mit flüchtigem „a“, kurzem „a“ und „ä“)

    5 Josephus: Jüdische Altertümer, S.222, 4. Buch, 7. Kapitel, 1. Abschnitt