Die bisher vorliegenden Ergebnisse zur Größe Israels betreffen nur die Anzahl der über 20-jährigen wehrfähigen Männer zum Zeitpunkt des Exodus und später. Um diese mit den Zahlen-Angaben zu den Erstgeborenen und Leviten vergleichbar zu machen, muss eine Hochrechnung auf alle männlichen Personen ab einem Monat und älter erfolgen. Da die damalige Altersstruktur dem Bibeltext jedoch nicht explizit zu entnehmen ist, müssen dazu Annahmen getroffen werden. Dadurch werden die hochgerechneten Bevölkerungszahlen zwangsläufig unsicherer als die aus den Zahlenangaben im Bibeltext durch eine Neubewertung des Begriffs אֶלֶף (ÄLäPh) ermittelten Mann-Zahlen.

Bei der Festlegung dieser Annahmen besteht die Gefahr, dass man heutige Verhältnisse oder weitverbreitete Sichtweisen über „frühere Zeiten“ ungeprüft übernimmt, z.B. die Meinung, dass „früher“ die Mädchen spätestens mit 14 oder 15 Jahren verheiratet wurden. Dies mag zwar – wegen der viel geringeren Lebenserwartung als heute – in Europa im Mittelalter oder in Entwicklungsländern bis ins 20. Jahrhundert so gewesen sein, ob dies aber auch zur Zeit der Patriarchen im AT – bei noch höheren Lebensaltern als bei uns heute – so war, müsste erst noch untersucht werden. In außerbiblischen Quellen liegen für die Bevölkerungsentwicklung Israels jedoch keine belastbaren Angaben vor. Somit bleibt als einzige historische Quelle das Alte Testament. Es ist daher wichtig, den AT-Kontext sorgfältig auf Hinweise zu Einflussfaktoren auf die Bevölkerungsentwicklung im relevanten Zeitbereich zu untersuchen. Und wie im vorliegenden Kapitel dargelegt, lassen sich bei genauerem Hinsehen tatsächlich aus den biblischen Erzählungen und Gesetzesvorschriften Erkenntnisse zur Größe dieser Parameter gewinnen. Auf Basis dieser Erkenntnisse habe ich die Annahmen getroffen, mit denen die Bevölkerung von der biblisch berichteten Anzahl der nach Ägypten gekommenen Nachkommen Jakobs auf die in Abschnitt ‎ 3.1.2.1 ermittelten 27.500 wehrfähigen Männer über 20 Jahren beim Exodus hochgerechnet werden können.

Folgende dafür relevante Parameter werden näher untersucht:

  • die Aufenthaltsdauer Israels in Ägypten
  • die Ausgangspopulation zu Beginn des Aufenthalts der Israeliten in Ägypten
  • die durchschnittliche Kinderanzahl je Frau (Fertilitätsrate)
  • das durchschnittliche Gebäralter der Frauen (entspricht dem mittleren Generationenabstand) – und daraus (und aus der Aufenthaltsdauer) folgend die durchschnittliche Anzahl der Generationen, die die Zeit in Ägypten überbrückten
  • die damalige Lebenserwartung bzw. die Sterblichkeit

Um die gegenseitige Abhängigkeit dieser Faktoren auch für Laien auf dem Fachgebiet der Demographie transparent zu machen, stelle ich in einem stark vereinfachten Rechenmodell verschiedene Beispiele für eine Modellierung der Bevölkerungsentwicklung dar. So kann überprüft werden, ob die Annahmen realistisch sind. Damit plausibilisiere ich die in Abschnitt 3.1.2.1 ‎ ermittelte Größenordnung der Mann-Zahlen. Daneben ergibt sich daraus eine grobe Altersstruktur des Volkes zum Zeitpunkt des Exodus, so dass prozentuale Anteile je Altersgruppe errechnet werden können. Somit liegen die Voraussetzungen für einen Vergleich zwischen der Anzahl der über 20-jährigen Wehrfähigen und der Anzahl der Erstgeborenen bzw. Leviten vor, bei denen jeweils Männliche ab einem Monat und älter angegeben sind (siehe Kapitel ‎6 bzw. ‎7). Wer sich mit den Rechenformeln und Ergebnistabellen schwertut, kann den Text dieses Kapitels auch lesen, ohne die Tabellen nachvollzogen zu haben. Die (Zwischen-)Ergebnisse werden jeweils im Text kurz aufgeführt und am Ende des Kapitels abschließend dargestellt. Die Ausgangspunkte und Ergebnisse der demographischen Berechnungen bei den zwölf Stämmen und den Leviten fasse ich außerdem am Ende von Kapitel ‎7 nochmals kurz zusammen. Dort werden auch die dabei zugrunde gelegten Rahmenbedingungen in zehn kurzen Thesen zusammengestellt (siehe ‎7.5ff). In Abschnitt 7.6 ist zudem ein Bericht von Dr. Rainer Facius verlinkt über von ihm durchgeführte detaillierte Vergleichsrechnungen zur bevölkerungsdynamischen Modellierung der Entwicklung Israels während des Ägyptenaufenthalts. Im Ergebnis zeigt sich, dass auch methodisch angemessenere Berechnungen mit einem speziell für die konkrete Problemstellung entwickelten EDV-Programm einen Bereich von Bevölkerungszahlen abstecken, der die nachfolgend dargestellten Ergebnisse meiner stark vereinfachten demographischen Berechnungen umfasst.