In Abschnitt ‎3.1 habe ich vorgeschlagen, dass die konventionell 603.550 Wehrfähigen durch eine Fehldeutung  der folgenden ursprünglichen Angabe entstanden sind: „580 ÄLäPh (= Einheiten) וְ (Wö = mit) 23 ÄLäPh (= Tausend) וְ (Wö = und) 550 Mann“. Tatsächlich waren demnach 580 militärische Einheiten und nur 23.550 Mann gemeint. In der Mann-Zahl waren die Vorabeiter der einzelnen Arbeitsgruppen und späteren Anführer der Heereseinheiten enthalten (siehe 3.1.1.2).

Nehmen wir einmal an, dass die ÄLäPh, die nicht „Tausend“ bedeuten, in den Mann-Zahlen der Wehrfähigen in 4Mose 1 ursprünglich AluPh im Sinne von Anführer gelautet hätten und jede Heereseinheit nur einen Anführer gehabt hätte. Dann könnte man genau dieselbe Rechnung anstellen, wie ich sie in Abschnitt ‎3.1 und Anlage 3a Tab. 2 bis 4 dargestellt habe. Es würden sich genauso viele Gruppen bzw. Heereseinheiten ergeben wie dort. Die Zahlenangabe 603.550 Mann in dem uns heute vorliegenden Grundtext von 4Mose 1,46 hätte dann ursprünglich wie folgt gelautet: „580 ALuPh (= Anführer) וְ (Wö = und) 23 ÄLäPh (= Tausend) וְ (Wö = und) 550 Mann. Die 580 Anführer würden damit zusätzlich zu den 23.550 Soldaten genannt. Beide Zahlen müssten addiert werden, um auf die Gesamtanzahl der gemusterten Männer zu kommen, die beim ersten Zensus gezählt wurden. Dies wären dann 24.130 Gemusterte gewesen. Diese Veränderung gegenüber meinem Vorschlag hätte die nachfolgend dargestellten Konsequenzen gehabt. 

In Abschnitt ‎3.1.3.2 habe ich eine alternative Deutung für die in 2 Mose 38,25-26 genannte Abgabe von je einem halben Schekel von jedem der auch hier genannten 603 ÄLäPh 550 gemusterten Wehrfähigen vorgestellt. Diese Abgabe mussten selbstverständlich auch die Anführer leisten, da sie in beiden oben vorgestellten Varianten in der Zahl der Gemusterten enthalten waren. Die Gesamtsumme der Abgabe betrug 100 כִּכָּר (KiKaR, übliche Übersetzung Talent) und 1.775 Schekel. Bei meinem Vorschlag ergibt sich aus 23.550 Gemusterten, die jeder einen halben Schekel geben müssen, eine Summe von 11.775 Schekeln. Nach Abzug der separat genannten 1.775 Schekel bleiben 10.000 Schekel als Gegenwert von 100 כִּכָּר (KiKaR) übrig. Daraus folgt ein rundes Verhältnis von 100 : 1 für das כִּכָּר (KiKaR) zum Schekel. Warum daneben eine deutlich größere Schekel-Zahl genannt wird, erkläre ich ausführlich in den Abschnitten 11.3 bis 11.3.3.6. Bei Deutung der überzähligen ÄLäPh als ALuPh und daraus folgend 24.130 Männern ergibt sich dagegen eine gesamte Abgabe von 12.065 Schekeln. Zieht man auch hier die separat genannten 1.775 Schekel ab, bleiben 10.290 Schekel übrig, die den genannten 100 כִּכָּר (KiKaR) entsprechen. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von 102,9 : 1 für das כִּכָּר (KiKaR) zum Schekel. Ein solch krummes Verhältnis ist nicht plausibel.

Im engen Kontext zum Bericht über den ersten Zensus gibt es zwei weitere Vorkommen von großen Zahlen. In 2Mose 12,37 wird die Zahl des ausziehenden Volkes mit „etwa 600 ÄLäPh Fußvolk, die Männer ohne die Kinder“ angegeben. Dieselbe Zahl für das Fußvolk wird laut 4. Mose 11,21 kurz nach dem Aufbruch vom Sinai im Zusammenhang mit dem Fleischverlangen des Volkes von Mose in seinem Gebet zu Gott erwähnt. Dazu habe ich in Abschnitt ‎3.1.3.3 die These aufgestellt, dass mit den 600 ÄLäPh eine aufgerundete Zahl der tatsächlich 580 Einheiten gemeint war. Damit wäre erklärbar, dass sowohl beim Auszug als auch nach dem Wegzug vom Sinai trotz deutlich veränderter Mann-Zahlen die gleiche Anzahl angegeben wird, da die Anzahl der Einheiten gleichgeblieben war. Auch die nur ungefähre Angabe in 2Mose 12,37 (Angabe „etwa“) beim Exodus wäre verständlich, da zu diesem Zeitpunkt noch keine genaue Zählung stattgefunden hatte. Wenn diese These stimmt, lag keine kombinierte Angabe von Einheiten und Männern vor, sondern nur eine Zahl von Einheiten, weshalb bei beiden Zahlen auch kein Revisionsfehler, sondern lediglich eine andere Übersetzung von ÄLäPh angenommen werden müsste. Bei Deutung der nicht als „Tausend“ zu deutenden ÄLäPh als ALuPh wäre eine vergleichbare Deutung ohne Revisionsfehler nicht möglich, da nicht nur „etwa 580 Anführer, die Männer ohne die Kinder“ ausgezogen waren und Mose auch nicht nur Fleisch für die 580 Anführer beschaffen musste. Es müsste also auch an diesen beiden Stellen eine ursprünglich kombinierte Angabe von ALuPh (= Anführer) und ÄLäPh (= Tausend) und jeweils ein Revisionsfehler angenommen werden. Aus den Wehrfähigen-Zahlen des ersten Zensus können wir die Anzahl der Gruppen und damit auch der Anführer mit 580 errechnen. Bei 600 ÄLäPh würden damit nur 20 Tausender für die Männer übrigbleiben. Die beim Auszug noch in den Gruppen enthaltenen 29.000 Männer, die sich – bei korrekter Übersetzung mit „in Gruppen zu 50 gegliedert“ statt „gerüstet“ – aus 2Mose 13,18b ergeben, hätten dann entweder auf 20.000 Männer abgerundet oder gegenüber der tatsächlichen Zahl um nahezu ein Drittel zu niedrig geschätzt worden sein müssen. Beides ist wenig plausibel. Auch die Frage, warum beim Auszug und über ein Jahr später nach dem Aufbruch vom Sinai trotz des deutlichen Rückgangs der Mann-Zahlen die gleiche Zahl genannt wird, bliebe unbeantwortet.

Etwa 30 bis 40 Jahre nach der Landnahme fand unter Teilnahme des Hohepriester Pinhas, des Enkels Aarons, wegen einer Gräueltat an der Frau eines Leviten durch Einwohner der benjaminitischen Stadt Gibea eine Strafexpedition der übrigen elf Stämme gegen den Stamm Benjamin statt. Diese Ereignisse werden in Ri 19 – 21 in einer Art Anhang an das Richterbuch geschildert. Die Heeresgröße bei den elf Stämmen wird mit 400 ÄLäPh angegeben, was ich als 400 Einheiten à 50 Mann, also 20.000 Mann, deute (siehe ‎4.3.1). Fünfziger-Einheiten waren die kleinsten Einheiten des Heeres, was sich mit Jos 1,14 „… ihr sollt als חֲמֻשִׁים ((ChaMuSchI’M = in Gruppen zu 50 gegliedert) … hinüberziehen …“ begründen lässt (siehe ‎3.1.1.1). Die Neubewertung mit 20.000 Mann ergibt sich direkt aus dem heute vorliegenden hebräischen Grundtext ohne Annahme eines Revisionsfehlers einfach durch eine andere Übersetzung des Wortes ÄLäPh als „Einheit“. Das Ergebnis passt geradezu perfekt zu der von mir ermittelten Wehrfähigen-Zahl des nur wenige Jahrzehnte zurückliegenden zweiten Zensus von 25.730 Mann (siehe ‎3.2 und Anlage 4, Tab. 6 – 8), aus denen für die Landnahme ein Heer von 20.000 Mann rekrutiert wurde (siehe ‎4.2.1). Würde man hier einen Revisionsfehler annehmen, durch den eine ursprünglich getrennte Angabe von ALuPh (= Anführer) und ÄLäPh (= Tausender) zu den 400 ÄLäPh zusammengefasst wurde, ist keine Deutung möglich, die ohne Rest aufgeht. Nimmt man z.B. eine von der Größenordnung her passende Zahl von 19.000 Soldaten an, so ergibt sich bei 50er-Einheiten eine Anzahl von (19.000 ÷ 50 =) 380 Einheiten mit jeweils einem Anführer. Daraus lässt sich die folgende ursprüngliche Angabe ableiten: 380 ALuPh (= Anführer) und 19 ÄLäPh (= Tausend) Mann – in der Summe also 399 ÄLäPh. Alle anderen Kombinationen von Anführern und Tausendern führen zu einer Summe, die noch stärker als das genannte Beispiel von den im Text angegebenen 400 ÄLäPh abweicht. Diese Deutung kann also ausgeschlossen werden. Die ÄLäPh müssen somit hier als Heereseinheiten à 50 Mann gedeutet werden, um realistische Zahlen zu erreichen. Weil 50er-Einheiten schon beim Exodus und bei der Landnahme erwähnt werden (2Mose 13,18; Jos. 1,14, siehe ‎3.1.1.1) ist es naheliegend, dass auch bei den dazwischen erfolgten beiden Musterungen die Heereseinheiten als ÄLäPh bezeichnet wurden. Die kombinierte Angabe aus Einheiten und Mann-Zahlen in den Zensuslisten ist der Tatsache geschuldet, dass dort Einheiten mit nicht voller Sollstärke vorlagen. 

Es gibt noch eine ganze Reihe ähnliche Fälle von Tausender-Zahlen, wo durch die Annahme, dass alle ÄLäPh als 50er-Gruppen zu deuten sind, ohne Annahme eines Revisionsfehlers plausible Zahlen und Geschehensberichte erreicht werden können. Dies habe ich bei den 42.000 Gefallenen beim Sieg Jeftas über Ephraim (Ri 12,6; siehe ‎4.6) und den Mann-Zahlen in der Simson-Geschichte (Ri 15,11+15+16; siehe ‎4.7) schon aufgezeigt. In beiden Fällen ist die Annahme, dass diese ÄLäPh ursprünglich ALuPh gelautet hätten und deshalb mit „Anführer“ zu übersetzen sind, ohne zusätzliche Texteingriffe nicht plausibel. In den Berichten über die Königszeit kommen überhaupt keine großen Zahlen mehr vor, die aus ursprünglich kombinierten Angaben aus Einheiten (oder Anführern) und Tausendern entstanden sind. Dort können alle Heeres-Zahlen ohne Annahme eines Revisionsfehlers aus dem heute vorliegenden hebräischen Grundtext korrekt gedeutet werden. Dafür müssen entweder alle in einer Zahl enthaltenen ÄLäPh als Tausender oder alle als Einheiten – Anführer passen hier nicht – gedeutet werden, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass in wenigen Ausnahmefällen zwei getrennt zu lesende Zahlen unmittelbar aufeinander folgen. Die Größe der Einheiten ergibt sich dabei jeweils aus dem Kontext, wobei in den meisten Fällen 50er-Einheiten vorliegen. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen zu den großen Zahlen in der Königszeit stelle ich in Kapitel ‎9 vor.

Diese Beispiele für Vorkommen von großen Mann-Zahlen, bei denen die Deutung von ÄLäPh als (militärische) Einheit zu plausiblen Ergebnissen führt, sollen an dieser Stelle genügen, um eine Deutung der überzähligen ÄLäPh als ALuPh bei den Wehrfähigen in den Zensuslisten zurückzuweisen. Im nächsten Abschnitt untersuche ich nun noch, ob sich aus Kontextangaben in den Zensusberichten Hinweise auf die Bezeichnung der Anführer der Heereseinheiten ergeben.