Zuletzt soll nun noch untersucht werden, ob auch bei den Leviten alle, die beim ersten Zensus über 20 Jahre alt waren, in der Wüste starben. Dazu zitiere ich zunächst drei mit diesem Gericht zusammenhängende Aussagen aus 4. und 5. Mose (jeweils mit einigen kurzen Erläuterungen):

4Mose 14,2 Und alle Söhne Israel murrten gegen Mose und gegen Aaron, und die ganze Gemeinde sagte zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten gestorben, oder wären wir doch in dieser Wüste gestorben!

  • Die hier mit „ganze Gemeinde“ übersetzten hebräischen Wörter כָּל־הָעֵדָה (KoL-HaẼDaH) werden in 4Mose 1,2 (lediglich ohne den Artikel Ha) für die zu Musternden der zwölf Stämme verwendet. Dort lautet die Aussage „die ganze Gemeinde der Söhne Israel“. Es waren demnach die Wehrfähigen der zwölf Stämme, die murrten.
  • Dagegen wurden die Söhne Levis nicht mehr zur Gemeinde der Söhne Israels gerechnet, da sie schon vor der Musterung der Wehrfähigen gezählt (4Mose 3,15) und in ihren Dienst eingesetzt worden waren (die Berichte in 4Mose 3 – 7 sind chronologisch vor 4Mose 1 + 2 einzuordnen, siehe ‎7.3.4.4 mit Fußnote 1). Die Leviten waren von Jahwe als sein Eigentum beansprucht worden und hatten als Gehilfen der Priester der Gemeinde zu dienen und sie auf Jahwe auszurichten. So hatten sie auch keinen der zwölf Kundschafter gestellt und mussten nicht an den Eroberungskämpfen gegen die Riesen Kanaans teilnehmen.

4Mose 14,29 In dieser Wüste sollen eure Leichen fallen, ja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren an und darüber, die ihr gegen mich gemurrt habt.

  • Bei den Leviten gab es keine Altersgrenze von 20 Jahren. Hier wurden alle im Alter von einem Monat und älter gezählt.
  • Die Leviten waren kein Teil der versammelten Gemeinde, die gemurrt hatte (s.o.).

5Mose 2,16-18 Als alle kriegstüchtigen Männer aus der Mitte des Volkes vollständig weggestorben waren, sprach der Herr, du wirst heute die Grenze Moabs überschreiten.

  • Die Leviten zählten nicht zu den kriegstüchtigen Männern, da sie nicht in den Heeresdienst einbezogen waren, sondern für den Dienst am Heiligtum geweiht waren (4Mose 1, 49-50). Von ihnen ist also auch nicht ausgesagt, dass sie vollständig weggestorben waren.

Diese drei Bibelstellen lassen den – allerdings nicht zwingenden – Schluss zu, dass die Leviten von dem Urteil, das alle über 20-jährigen Gemusterten betraf, nicht erfasst waren. Anders als bei den Zwölf Stämmen hätte es dann bei den Leviten Männer über 60 Jahren, einzelne sogar über 110 Jahren gegeben. Diese Schlussfolgerung möchte ich nachfolgend durch eine Bibelstelle im Buch Josua untermauern. Die Leviten lebten in ganz Israel verteilt und hatten wie die Priester den Auftrag das Volk im Gesetz zu unterweisen (2Chr 17,8-9; Neh 8,7-8). Vielleicht waren es solche ältere Leviten, die ihren Auftrag ernstnahmen und als wesentlich ältere Männer entsprechende Autorität hatten, die gemäß Jos 24,29+31 dazu beitrugen, dass die Israeliten in den Anfangsjahren in Kanaan auch nach Josuas Tod noch Jahwe dienten:

29 Und es geschah nach diesen Dingen, dass Josua, der Sohn des Nun, der Knecht des HERRN, im Alter von 110 Jahren starb. …

31 Und Israel diente dem HERRN alle Tage Josuas und alle Tage der Ältesten, die Josua überlebten und die das ganze Werk des HERRN kannten, das er für Israel getan hatte.

Josua hatte selbst in Ägypten noch Fronarbeit geleistet und als Erwachsener alle Wunder Jahwes bewusst miterlebt, angefangen von den Plagen in Ägypten, dem Durchzug durch das Rote Meer und dem Sieg über die Amalekiter. Für den Kampf gegen diese hatte er selbst das Heer aufgestellt und angeführt. Er muss zu diesem Zeitpunkt also schon ein gestandener Mann gewesen sein. Kurz nach dem Wegzug vom Sinai hatte er als einer der zwölf Kundschafter zusammen mit dem zu dieser Zeit 40-jährigen Kaleb das Land Kanaan ausgekundschaftet (Jos 14,7). Wenn er – wie in Abschnitt ‎4.3 begründet – 25 Jahre nach der Überschreitung des Jordans mit 110 Jahren starb, wäre er beim Auszug aus Ägypten 45 Jahre alt gewesen. Er hätte dann mit 85 Jahren die Führung des Volkes nach Moses Tod übernommen. Bei seinem Amtsantritt wäre er 25 Jahre älter gewesen als alle Männer der zwölf Stämme außer Kaleb und weniger Greise, die schon beim ersten Zensus über 75 Jahre waren und deshalb nicht mehr gemustert wurden. Diese waren am Ende der Wüstenwanderung über 114 Jahre alt und können daher mit den Ältesten, die Josua überlebten, nicht gemeint sein.

Das im zitierten Vers 31 mit „die Ältesten“ übersetzte hebräische Wort הַזְּקֵנִ֗ים (HaŞöQeNIM) kann auch mit „die Alten“ übersetzt werden (siehe Fußnote 1 in Abschnitt ‎5.2.2.2). Dies hätte dann auch einige der schon seit der Einweihung in der Stiftshütte diensttuende Leviten umfasst, die beim Auszug schon etwa 30 bis 40 Jahre alt waren und die Fronarbeit in Ägypten und die wunderbare Befreiung ebenfalls noch bewusst miterlebt hatten. Wenn einige dieser Leviten ähnlich alt wurden wie Josua, hätten sie ihn bei der vorstehenden Annahme zum Alter Josuas allerdings lediglich um 5 bis 15 Jahre überlebt und damit den Abfall von Jahwe, der im Richterbuch beschrieben wird, nur wenige Jahre aufgehalten. Außerdem kann wegen der Verteilung der Wohnorte der Leviten über ganz Israel davon ausgegangen werden, dass es Regionen gab, wo nicht mehr genügend solche standfeste Alte mit entsprechender Autorität vorhanden waren und deshalb der Abfall von Jahwe schneller eintrat. Aufgrund der vorstehend zitierten Stellen über Ursache, Androhung und Umsetzung der Verurteilung der Murrenden zum Tod in der Wüste sowie über die Rolle der überlebenden Alten, die das ganze Werk des Herrn kannten – also wohl schon die Plagen und den Auszug bewusst miterlebt hatten – und Josua noch überlebten, kann m.E. als sicher gelten, dass die Leviten von dem Urteil, dass alle beim ersten Zensus über 20-jährigen Männer in der Wüste sterben müssen, tatsächlich nicht betroffen waren.

Nachfolgend versuche ich die Anzahl der überlebenden Leviten grob abzuschätzen. Der Anteil der 21- bis 75-Jährigen betrug beim Exodus bei den zwölf Stämmen 57,71 % (siehe Anlage 14, Tab. 17a). Wendet man diesen Prozentsatz auf die 10.300 männlichen Leviten an, ergeben sich 5.944 Leviten von >20 bis 75 Jahren. Einige davon hatten sich an dem Aufstand Korachs, der selber ein führender Levit war, beteiligt. Dies kann mit 4Mose 16,8 begründet werden, wo Mose eine Rede an Korach mit den Worten: „Höret doch, ihr Söhne Levis!“ einleitet. Da sie aber vom Heeresdienst befreit waren, gab es keine Gefallenen bei der Niederlage gegen die Kanaaniter. Auch bei den Gerichten an den Gräbern der Gier und durch die Schlangen, die aufgrund des Murrens gegen Jahwe wegen der eintönigen Ernährung durch das Manna eintrafen, könnte bei den Leviten ein geringerer Anteil der Bevölkerung umgekommen sein als beim übrigen Volk. Sie hatten sich schon kurz nach der Ankunft am Sinai, als ein Teil des Volkes das Goldene Kalb anbetete, zu Jahwe gehalten (2Mose 32,26) und die 30- bis 50-Jährigen waren nach ihrer Weihe für den Dienst Jahwes an seinem Heiligtum ständig mit seiner Heiligkeit konfrontiert. Bei ihnen dürfte die Einstellung Jahwe gegenüber somit mehrheitlich positiver als beim übrigen Volk gewesen sein. Ich nehme deshalb an, dass neben 150 beim Aufstand Korachs und 2.000 eines natürlichen Todes gestorbenen männlichen Leviten nur etwa 2.000 bei den Gerichten an den Gräbern der Gier und beim Schlangengericht starben. Diese 2.000 umgekommenen Männer entsprechen etwa 33 % der 20- bis 75-jährigen Männer, die in den am Sinai gezählten Leviten enthaltenen waren, während ich bei den zwölf Stämmen annehme, dass 50 % der am Sinai gemusterten 20- bis 75-jährigen Männer bei diesen beiden Gerichten umkamen (siehe ‎8.1.3) Bei diesen Annahmen hätten etwa 1.800 levitische Männer, die beim ersten Zensus am Sinai über 20 Jahre alt waren, die Wüstenwanderung überlebt. Von diesen wären dann beim Tod Josuas etwa 25 Jahre später noch wenige 100 Männer, die dann 95 bis 110 Jahre alt waren, noch ausreichend rüstig gewesen, um das Volk zum Gehorsam gegenüber den Geboten Jahwes anzuhalten.