Die fünf Stämme Issaschar, Asser, Naftali, Sebulon, Halb-Manasse sowie 75 % von Simeon hatten nach den Annahmen in Abschnitt ‎3.2 (siehe Anlage 4, Tab. 8) beim zweiten Zensus (2.300 + 2.400 + 2.400 + 2.500 + 1.350 + 900 =) 11.850 waffenfähige Männer. Bis zum Aufruf Gideons waren seither rund 200 Jahre vergangen. Ein Anstieg von 11.850 auf 16.000 Mann entspricht einer Steigerung um 35 % oder einer jährlichen Wachstumsrate von 0,15 %.

In Ri 4,6 berichtet die Richterin Debora von Gottes Auftrag an den Heerführer Barak, mit 10 ÄLäPh aus den Söhnen Naftali und Sebulon auf den Berg Tabor zu steigen, was 5 Einheiten mit insgesamt 5.000 Mann entsprochen haben dürfte. Wie bei der Landnahme kann angenommen werden, dass nicht ausnahmslos alle Wehrfähigen in das Heer eingezogen wurden, die Zahl der Wehrfähigen also höher war. Gegenüber den 4.900 Wehrfähigen dieser beiden Stämme beim zweiten Zensus hatte es somit schon vor Deboras Richterzeit ein nicht ganz unwesentliches Bevölkerungswachstum gegeben. Nach dem vernichtenden Sieg über das Heer Jabins, des in Hazor regierenden Königs von Kanaan, und der Tötung von dessen Heerführer Sisera sowie der Zerstörung seiner 900 Streitwagen wurde Jabin entmachtet und schließlich getötet (Ri 4,2+3+15+16+22-24). Damit dürften die nördlichen Stämme und der aus seinem ursprünglichen Siedlungsgebiet vertriebene Stamm Simeon Zugang zu weiterem Siedlungsland nun auch in den Ebenen – vor allem in dem bei der Landnahme nicht eroberten fruchtbaren Jesreeltal (Jos 17,16) – erhalten haben. In den Ebenen gab es einerseits große Anbauflächen, andererseits waren sie aber schwer gegen räuberische Eindringlinge zu verteidigen. Das hat dieses Gebiet für die Midianiter attraktiv gemacht. Das zusätzliche fruchtbare Land ermöglichte ein verstärktes Bevölkerungswachstum. Deshalb sind einige Jahrzehnte später 16.000 Mann aus sechs Stämmen gut vorstellbar, zumal zumindest aus den unmittelbar bedrohten Gebieten der größte Teil aller Wehrfähigen angetreten sein dürfte. Die im vorausgehenden Abschnitt vorgeschlagene Größenordnung für das Heer Israels ist somit plausibel.

Der Vollständigkeit halber sollen noch zwei weitere große Zahlen aus der frühen Richterzeit kurz beleuchtet werden, um aufzuzeigen, dass auch diese der von mir vorgeschlagenen Größenordnung bei der Neubewertung der großen Zahlen nicht entgegenstehen. In Ri 5,8 stellt Debora in ihrem Siegeslied die Frage „Wurden wohl Schild und Speer gesehen unter 40 ÄLäPh in Israel?“ Sie macht in Ri 5,4-8 einen Rückblick auf die Zeit vor Ihrem Auftreten, als das Volk sich neue Götter erwählt hatte. In Vers 6 erwähnt sie die Zeit Schamgars, der innerhalb der 80 Jahre Ruhezeit nach dem Sieg Ehuds über Moab Richter war. Diese Zahlen betreffen also eine Zeit, die mehrere Generationen zurücklag. Vielleicht bezieht sie sich sogar auf das ursprüngliche Heer bei der Landnahme, das ja in Jos 4,13 ebenfalls mit einer Größe von 40 ÄLäPh angegeben wird und wie in Abschnitt ‎4.2.1 begründet aus 20 Tausender-Einheiten mit insgesamt 20.000 Mann bestand. Auch in Deboras Lied geht es wohl um 20 Einheiten mit 20.000 Mann. Dieses Heer hätte sich nach ihrer Aussage dann aber schon lange vor ihrem Kampfaufruf vollständig aufgelöst gehabt, so dass keine Waffen mehr gefunden wurden. Israel war damit seinen Feinden wehrlos ausgeliefert.

Dass Israel wehrlos war, galt wohl auch schon für die Zeit vor dem Auftreten des späteren Richters Ehud, als der Moabiter-König Eglon 18 Jahre über Israel herrschte. Diese Unterdrückungszeit endete als Ehud Eglon bei der Übergabe des Tributs der Israeliten in dessen Palast tötete (Ri 3,14-21). Nachdem Ehud auf das Gebirge Ephraim westlich des Jordans zurückgekehrt war, stieß er ins Horn, um die Israeliten zusammenzurufen. Er befahl ihnen, die Furten des Jordan zu besetzen, damit die von Eglon in das Westjordanland gelegte Besatzungstruppe nicht nach Osten entkommen konnte (Ri 3,27-28). Laut Ri 3,29 wurden dabei 10 ÄLäPh kriegstüchtige Männer getötet, ohne dass einer entkam. Wären dies tatsächlich 10.000 Mann gewesen, so hätte Ehud kein so leichtes Spiel gehabt. Ich gehe daher davon aus, dass es sich bei den Moabitern wie bei den Angaben bei der Heeresgröße der Midianiter nur um Einheiten à 50 Mann, also insgesamt 500 Soldaten handelte. Diese konnten ein Volk ohne Heer und Anführer leicht in Schach halten, da immer die Drohung eines Einmarschs des sehr viel größeren moabitischen Heeres im Raum stand, das einen Angriff gegen die Besatzungstruppe hart bestraft hätte. Erst als sich mit Ehud ein mutiger Anführer fand, konnte diese Besatzungstruppe besiegt werden. Da die Moabiter nach dem Tod ihres Königs führerlos waren, musste auch nicht mit einem sofortigen Gegenschlag gerechnet werden, so dass Ehud Zeit hatte, ein größeres Heer aufzustellen, um die Grenze zu schützen. Der Stamm Ephraim hatte beim zweiten Zensus 1.500 Wehrfähige (siehe Anlage 4, Tab. 8). Schon eine solche Anzahl hätte ausgereicht, bei einem gut geplanten Überraschungsangriff ein Besatzungsheer von 500 Mann in die Flucht zu schlagen und in die an den Furten angelegten Hinterhalte zu treiben. Möglicherweise hatte aber schon zu dieser Zeit nach der Ansiedlung in einem festen Siedlungsgebiet ein Bevölkerungswachstum stattgefunden. Denkbar ist außerdem, dass auch Männer der Nachbarstämme dem Aufruf Ehuds gefolgt waren, so dass tatsächlich mehr Männer zur Verfügung standen. Auch für diese Zahl ist somit eine Deutung möglich, die zu der von mir vorgeschlagenen Größenordnung der Zahlen passt. Dafür muss kein Revisionsfehler angenommen werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Bericht vom Sieg Gideons über die Midianiter die Bewertung des Terms ÄLäPh als Einheit von 50 Mann bei den Midianitern bzw. von 1.000 Mann bei den Israeliten zu realistischen Zahlen und einem plausiblen Geschehensablauf führt, der alle Kontextangaben berücksichtigt. Die Größenordnung der Mann-Zahlen bei den Israeliten passt sehr gut zu den neubewerteten Zahlen des zweiten Zensus und denen in Josua und den ersten Kapiteln des Richterbuches. Außer der Korrektur des Revisionsfehlers bei den Tausender-Einheiten Israels sind keine Eingriffe in den Text notwendig.

In Ri 6,15 kommt der Begriff ÄLäPh in einer Aussage Gideons auch noch in einer offensichtlich anderen Bedeutung vor. Dieses Vorkommen soll nachfolgend ebenfalls untersucht werden.